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Der Schamane und der Priester - Wundersame Begegnung zweier Welten in Griechenland

Unser Trommeln wurde immer lauter. Die Energie stieg an und ließ auch das Lagerfeuer heller und kräftiger leuchten. Es war, als ob sich viel Altes, Belastendes und Eingefahrenes in uns als auch auf der Insel klären wollte. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ...

... sich etwas Dunkles nähern würde.

 

Von irgendwo war das Blöken der Schafe zu hören. „Kommt jetzt eine Schafherde auf uns zu?“, überlegte ich. „Nein, das kann nicht sein, denn das Geräusch verändert die Lautstärke nicht.“ Neugierig geworden, ließ ich meinen Blick in der Gegend umherschweifen. Da es Abend war, konnte ich nicht sehr viel wahrnehmen.

 

Auf einmal zuckte eine Kursteilnehmerin nehmen mir zusammen, schrie auf und deutete auf eine sich uns nähernde, dunkle Gestalt. Erschrocken blickten alle in die Richtung ihres Zeigefingers. Je näher die Person kam, desto deutlicher wurde es, dass es ein orthodoxer Priester war, der mit allen möglichen Utensilien ausgestattet war. Es machte den Anschein, als wolle er etwas Negatives austreiben.

 

„Der will uns hoffentlich doch nichts antun?“, frage jemand ängstlich in die Runde. Szenen von alten Filmen, in denen Vertreter der Kirche Andersgläubige misshandelten, gingen sicher nicht nur mir durch den Kopf. Da mir bewusst war, welche Auswirkungen Gedanken und Gefühle auf unser Erleben haben, beschloss ich, mir eine neue Version der Geschichte auszudenken. „Wenn wir sie uns alle gemeinsam vorstellen würden, hätte sie mehr Kraft“, überlegte ich. Daher flüsterte ich meine Idee dem Schamanen leise ins Ohr. Er lächelte, denn er hatte sich schon etwas Ähnliches gedacht.

 

„Meine Lieben“, begann er. „Wie ihr wisst, gestalten wir mit unseren Gedanken und Gefühlen unsere Welt. Wir können jetzt den herannahenden Priester als Gefahr sehen, und glauben, er wolle uns etwas antun oder wir machen ein Experiment und konzentrieren uns darauf, dass es auch für ihn eine angenehme Wendung gibt. Vielleicht gibt es Gemeinsamkeiten zwischen ihm und uns und wir können voneinander lernen anstatt gleich alles abzulehnen, was uns fremd erscheint. Lasst uns ein Vorbild für Frieden werden. Seid ihr damit einverstanden?!“

 

Manche waren gleich begeistert, andere anfangs noch etwas zögerlich, stimmten aber dennoch dem Experiment zu. Daher fuhr er fort, „Wir unterbrechen jetzt unser Trommeln und konzentrieren uns auf unser Herz. Wir atmen tief ein und aus, lassen alle Sorgen und Ängste, die aufgekommen sind, aus uns fließen. Wenn ihr wollt, ruft eure Engel, Ahnen oder an wen ihr glaubt, als Schutz an eure Seite. Spürt, dass ihr in Sicherheit seid. Dann denkt an jemanden, den oder an etwas, das ihr liebt. Spürt die Liebe in euren Herzen und lasst sie euren Körper erfüllen und aus euch hinausfließen. Unsere Liebe verbindet sich und wird zu einem kraftvollen Feld, in dem nichts Anderes als Liebe existieren kann. Sehr gut.

 

Spürt ihr, wie sich unsere wundervolle Liebe ausdehnt?

 

Liebe ist die stärkste Heilkraft und letztendlich das, was wir alle wollen.

 

Bleibt in diesem Gefühl, dann kann nichts und niemand uns etwas anhaben. Ihr könnt euch auch auf das lodernde Feuer konzentrieren. Seht das Licht, das uns stärkt.

 

Denkt weiter an jemanden, den oder an etwas, das ihr liebt. Wenn andere Gedanken hochkommen, nehmt sie wahr, aber schenkt ihnen keine Energie, auch keine Gefühle. 

 

Ja, so ist es wunderbar.“

 

Es war nicht so einfach, die Energie der Liebe zu halten, weil ich unter anderem auch die zeitweise zweifelnden und ängstlichen Gefühle der anderen wahrnahm. Doch meine Engel gaben mir Kraft und Halt und ließen mich im Vertrauen sowie der Lieben bleiben.

 

Der Priester kam immer näher. Waren seine Schritte anfangs forsch und resolut gewesen, wurden sie jetzt immer zögerlicher. Unsere Energie machte etwas mit ihm, das er sich nicht erklären konnte. Bald war sein Gesicht zu erkennen. Es spiegelte Misstrauen, aber auch Neugier wider. Er wollte seinen bedrohlich wirkenden Stab heben, doch irgendwie schien ihn die Kraft verlassen zu haben. Nachdem er es ein paar Mal probiert hatte, es ihm aber nicht gelangt, gab er sich geschlagen – zumindest, was den Stab betraf. Ungläubig starrte er in die Runde.

 

„Was geht hier vor sich?“, wollte er mit dunkler, skeptischer Stimme wissen. Unser Schamane, der als Einziger Griechisch konnte, erklärte ihm, dass wir uns mit dem Göttlichen verbunden hatten und unsere Herzenskraft durch uns zu allen fließen ließen. „Das geht doch nicht. So etwas will ich hier nicht haben!“, rief der Priester. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu!“

 

„Komm in unseren Kreis. Spüre einfach die Energie der Liebe. Wir sind alle Gottes Kinder. Lass uns das, was uns trennt vergessen, und uns nur auf die Liebe konzentrieren. Probiere es einmal aus“, lud ihn der Schamane in unsere Mitte ein.

 

Es war zu sehen, dass der Priester mit sich rang – sollte er seinen Indoktrinationen oder doch seiner Neugier und der Liebe folgen?! Nach einigen Minuten des Zögerns gesellte er sich zu uns.

 

„Auch wenn manche von euch jetzt vielleicht die Energie vom Priester fühlen, bleibt bitte in eurem Herzen und richtet eure Aufmerksamkeit weiterhin auf die LIEBE. Ihr alle macht das wunderbar!“, bekamen wir die Anweisung. „Stellt euch vor, ihr seid wieder wie Kinder, die einfach Freude am Leben haben und die einem anderen Kind zeigen, wie wundervoll sich Liebe anfühlt und wie sie alles verändern kann.“

 

Den Priester bat er, ein Lied zu singen, in dem es um die Herrlichkeit Gottes ging. Überrascht blickte dieser ihn an. Er überlegte nur kurz und begann dann zu singen. Damit veränderte er nicht nur seinen Gesichtsausdruck, sondern auch seine Körperhaltung wurde lockerer. Er hatte eine wundervolle Singstimme, mit der er uns allen berührte. Während er sang, schienen alle Unterschiede zwischen uns und ihm zu verschwinden.

 

Nachdem das Lied zu Ende war, lösten wir den Kreis auf und blieben noch ein paar Minuten in der Stille stehen. Mein Blick ging zu den Sternen hinauf. Sie schienen jetzt noch heller zu funkeln.

Unser Schamane lud den Priester und uns ein, uns um das Lagerfeuer zu setzen und uns auszutauschen.

 

Er war nicht nur geschickt im Frage stellen, sondern auch als Dolmetscher.

 

So verhalf er dem Vertreter der Kirche zu neuen Erkenntnissen über den Schamanismus und einer weniger ablehnenden Haltung ihm und uns gegenüber.

 

Text: Sabine Potetz

Foto: Pixabay