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Naturgespräche: vom Schatten ins Licht

Ein lieblicher Duft lag in der Luft. Die beiden Freundinnen blieben stehen und schnupperten. „Eindeutig Akazie“, stellte Emma fest, „auch wenn ich keine sehe.“ Sie gingen plaudern weiter. Plötzlich fiel ihr Blick auf ein riesiges Feld, an dessen Rand viele große Akazienbäume standen. „Daher kommt also der wundervolle Geruch“, stellte sie fest. „Du bist gut“, lächelte Sarina. „Ist es nicht oft so“, fuhr sie fragend fort, ...

... dass man manchmal etwas intuitiv wahrnimmt oder intuitiv weiß, ohne im Außen eine Bestätigung dafür sehen zu können?“

 

„Ja, das stimmt. Doch nicht immer trauen wir unserer Intuition und manchmal nehmen wir sie auch nicht bewusst wahr, weil wir zu sehr auf die Stimmen im Außen konzentriert und gewohnt sind, ihnen zu folgen statt uns selbst“, erwiderte ihre Freundin.

 

„Darum genieße ich das Alleinsein zeitweise schon sehr. Ich lerne mich selbst immer besser kennen, denn es wirft mich immer wieder auf mich selbst zurück. Natürlich ist es manchmal anstrengend und herausfordernd, sich mit seinen eigenen Themen auseinanderzusetzen und nicht davonzurennen oder sich abzulenken. Das kostet Überwindung. Doch ich habe festgestellt, dass es sich wirklich lohnt, sich dem eigenen Schatten zu stellen“, stellte Sarina tiefgründig fest. „Je mehr Licht ich in meinen Schatten bringe, umso heller werde ich und umso mehr Potenzial sowie Fähigkeiten entdecke ich in mir. Ich glaube, Du weißt, was ich meine“, lächelte sie ihre Freundin an.

 

„Ja, ich kann das nachvollziehen, denn mir geht es ähnlich. Doch im Gegensatz zu Dir brauche ich mehr Menschen um mich herum. Wir sind soziale Wesen und wir brauchen den Austausch“, sagte Emma.

 

Sarina lächelte sie an und antwortete, „Ja, das stimmt. Darum tauschen wir uns auch öfters aus, worüber ich mich übrigens sehr freue. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich mich mit jemanden unterhalte und nur seine Stimme höre oder ob der Mensch auch physisch in meiner Nähe anwesend ist. Doch viel wichtiger als das ist mir, dass wir einander geistig bereichern, sinnbildlich in dieselbe Richtung schauen, ein ähnliches Ziel haben.

 

Apropos Richtung. Dort drüber nahe dem Bach steht ein Bankerl. Wollen wir uns dort kurz hinsetzen?“

 

„Ja, gerne“, stimmte Emma zu. „Ich höre so gerne das leise Rauschen des Wassers und die Landschaft ist so herrlich saftig grün. Das tut den Augen und der Seele so gut.


Weißt Du, manchmal überlege ich schon, ob es nicht vielleicht doch seinen Sinn hat und gut ist, wenn man gerade nicht so viele Menschen trifft. Denn wir alle befinden uns in einer herausfordernden, evolutionären Phase des Aufstiegs der Menschheit. Da darf sich jeder zuerst mit sich selbst und der eigenen Ent-wicklung beschäftigen, um immer mehr die zu werden, die sie wahrhaftig ist bzw. der zu werden, der er wahrhaftig ist.“

 

Lächelnd gab ihr ihre Freundin recht und antwortete, „Das erinnert mich an ein Zitat von Osho, das ich unlängst gelesen habe und sinngemäß heißt: „Aloneness leads to oneness.“ (Einsamkeit führt in die Einheit.) Dahin wird jeder geführt, der sich für den Weg des Aufstiegs öffnen und bereit ist, ihn zu gehen.

Es ist kein einfacher Weg, denn er erfordert, dass wir unser Leben und uns selbst hinterfragen, d.h. beispielsweise, ob das, was wir denken und fühlen für uns noch stimmig und unserem Weg dienlich ist. Wir wollen herausfinden, wer und was wir wirklich sind, woher wir kommen, warum wir hier sind und wohin wir gehen. Also den Sinn des Lebens herausfinden. Das ist etwas, das mich schon mein Leben lang begeistert hat – mich mit dem Sinn des Lebens, der für mich schon immer die Liebe gewesen ist, und dem Seelenleben auseinanderzusetzen.“

 

„Wer hätte gedacht, dass wir heute noch so tief philosophisch werden“, sagte Emma schmunzelnd. „Wie heißt es so schön, „Stille Wasser sind tief.“ – Wollen wir uns wieder bewegen und weitergehen?“

 

„Ja, sehr gerne! Hier gibt es noch so viel zu sehen, allen voran die herrlich duftenden Rosen und Pfingstrosen.“


Gemeinsam setzten sie ihren Weg im Sonnenschein fort.

Text & Foto: Sabine Potetz